Teilzeit als Weg aus der Klimakrise


Wir können die Klimakrise nur gemeinsam lösen. Und wenn wir eine ehrliche wirkungsvolle Lösung finden möchten, dann dürfen wir nicht nur Symptome behandeln. Wir müssen das System, in dem wir leben und wirtschaften, umgestalten. Dafür braucht es viele starke Frauen und Raum und Zeit. Und dafür wiederum brauchen wir starke Männer, die als Vorbilder vorangehen und uns helfen, den Karren aus dem Dreck zu ziehen. 

Die Grenzen des Wachstums und unserer Belastbarkeit sind erreicht

Es gibt den Menschen nur im Zusammenspiel mit seinem System: dem Wirtschafts- und dem Gesellschaftssystem. Und dieses nur im Zusammenspiel mit der Umwelt. Auch der Klimawandel steht nicht alleine da. Obwohl es medial oft so wirkt. Er ist systemisch eingebettet. Eingebettet in ein System, das seinen Zenit bereits überschritten hat.

Der Klimawandel ist eine von vielen Auswirkungen die sich auf diesem Planeten zeigen, weil wir Menschen die Grenzen des Wachstums nicht akzeptieren. Unser Wirtschaftssystem wurde in einer Zeit erfunden, in der es auf der Welt noch viele weiße Flecken gab und weiße Männer sich nicht scheuten, Länder, Böden, Ressourcen, Tiere und Menschen auszubeuten. Weiße Flecken gibt es nun keine mehr. Wir sehen die Grenzen des Planeten und wir spüren sie. Die Grenzen des Tierleids, des Menschenleids und des Ökosystems. Und wir spüren unsere eigenen Grenzen der Belastbarkeit. Aber der weiße Mann hat seine Wirtschaftsweise nicht geändert und seine Arbeitsweise auch nicht. Gewinnmaximierung ohne Rücksicht auf soziale und ökologische Aspekte ist nach wie vor weit verbreitet. Und ein Mann, der nicht mindestens 50 Stunden pro Woche marktwirtschaftliche Leistung abliefert, wird vielerorts belächelt. Burnout hin oder her. 

Frauen leben und arbeiten gut innerhalb von Systemgrenzen

Frauen, die nicht 50 Stunden pro Woche marktwirtschaftliche Leistung abliefern werden nicht belächelt. Das ist völlig normal in unserer Wertevorstellung. Frauen in Teilzeit werden nicht als schwach, ambitionslos oder faul wahrgenommen. Und das ist eigentlich eine gute Ausgangsbasis für die bevorstehende nachhaltige Veränderung.

Denn Frauen wissen, dass zu einem guten Leben auch ein Haushalt dazugehört, in dem sie gerne leben wollen. Und ein stärkendes Netzwerk an sozialen Kontakten. Viele Frauen weigern sich Vollzeitstellen anzunehmen und verbringen von Herzen gerne einen Teil ihrer Zeit mit ihren Familien, Freundinnen und Kindern und organisieren Kindergeburtstage und Nachbarschaftsgärten. Starke Frauen denken auch schwache Menschen und alte Menschen in ihrem System mit und lassen sie nicht außen vor. Und starke Frauen verteidigen den Lebensraum und die Gesundheit ihrer Kinder wie Löwinnen. Starke Frauen gestalten das System von sich heraus. Und das ist auch der Grund, warum die Klimakrise starke Frauen in der ersten Reihe braucht. Weil genau diese Art des Lebens und des Wirtschaftens zukunftsfähig ist. Eine Art des Lebens und des Tuns, die Systemgrenzen mitdenkt. Auch intuitiv. 

Frauen, nehmt euch Macht!

Die Ignoranz gegenüber bestehenden Grenzen in der Vergangenheit hat uns viele Fehler machen lassen. Der Verlust der Artenvielfalt, der Verlust von fruchtbarem Boden, der Verlust von Trinkwasser, die Überfischung und Verschmutzung der Meere, die völlig irrsinnige Masse an gequälten Tieren, die wir essen, die Müllberge aus Lebensmitteln, das Aussterben der Ortskerne und der fortschreitende Qualitätsverlust unserer Produkte – all das sind Konsequenzen der zahlreichen Fehler, die gemacht wurden und gemacht werden. Und es ist gut, dass wir das erkennen. Denn aus unseren Fehlern lernen wir am effektivsten. Und derartig grobe, schwerwiegende und fatale Fehler haben den Vorteil, dass sofort offensichtlich wird, was es zukünftig zu vermeiden gilt. Großer Fehler - Große Einsicht!

Wir Frauen können sehen was falsch läuft und wir wissen auch, wie Systeme gut gestaltet werden können. Frauen gestalteten jahrhundertelang das System, das Erwerbsarbeit ermöglichte. Und daher sind auch wir die, die das System verändern können. Wir haben diese Macht, Wir haben sie nur bislang nie ausgespielt. Es wird also Zeit, aufzusammeln, was da ist.

Wir Frauen des Westens können uns nicht nur selbst verändern, wir haben auch die Macht unser System zu verändern. Was es dafür braucht? Starke Frauennetzwerke, Zeit und Raum für Veränderung, nachhaltige Geschäftsmodelle und viel mehr Teilzeit-Männer!

Männer, nehmt euch Zeit!

Was die Welt braucht und was wir westliche Frauen brauchen sind nicht mehr SUVs oder falsche Wimpern und bitte nicht mehr Vollzeit-Überstunden Jobs für Mütter. Wir brauchen gut bezahlte Teilzeitjobs für alle (Männer und Frauen). Denn eine Stundenreduktion eröffnet Raum und Zeit abseits des Erwerbslebens. Zeit und Raum, in dem systemische Veränderung passieren kann. Zeit und Raum für FoodCoops und Nachbarschaftshilfe, für Weiterbildung und Bewegung, für Reparaturen und Tauschbörsen, für Subsistenzwirtschaft und für ziviles Engagement. All das macht die Veränderung aus, die uns bevorsteht. Wenn wir Dinge zukünftig länger nutzen wollen, müssen wir sie reparieren. Das kostet Zeit. Wegschmeißen wäre schneller erledigt. Diese Zeit müssen wir uns nehmen. Dafür brauchen wir die persönliche Bereitschaft zur Stundenreduktion, den unternehmerischen Rahmen und die finanzielle Vereinbarkeit derselben. Wenn Menschen Stunden reduzieren, verändern sie nicht nur ihr Arbeitspensum. Sie schaffen Raum und Zeit für Veränderung. 

Wenn wir also nicht nur die Symptome kaschieren wollen (und der Klimawandel ist ein Symptom, nicht die Ursache des Problems). Wenn wir das System verändern wollen, um es zukunftsfähig zu machen, dann brauchen wir starke Frauen samt ihren systemischen Lebens- und Arbeitsweisen in der ersten Reihe. Gerne auch in Teilzeit. Und neben und vor und hinter ihnen brauchen wir starke Männer.

Und starke Männer wissen, was es heißt einen Haushalt zu führen, Müll zu vermeiden und zu trennen, saisonales Gemüse am Markt zu kaufen, Kindern die Kreislaufwirtschaft zu erklären, eine Werkstatt einzurichten, den Nachbarn zu helfen und eine Familie zu managen. Und zwar nicht aus Erzählungen.

Maria Lackner

Maria Lackner ist Unternehmensberaterin, Auditorin für das Gütesiegel Beruf und Familie, Prozessbegleiterin und systemische Coachin. Ihre Herzensthemen sind Effizienz, Resilienz, Vereinbarkeit und Nachhaltigkeit.

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